Resiliente Lieferketten in der Pharmaindustrie

Resiliente Lieferketten in der Pharmaindustrie

Nach der Corona-Pandemie stehen Pharmaunternehmen vor weiteren Herausforderungen

Ein Kind im Krankenhausbett liegen zu sehen, ist ein Szenario, das nicht nur Eltern nahegeht. Im letzten Winter gab es jedoch einen alarmierenden Grund, der zu der hohen Zahl von Krankenhauseinweisungen von Kindern führte: Der Mangel an Antibiotika-Saft war verantwortlich dafür, dass viele der kleinen Patienten für eine Infusionstherapie stationär aufgenommen werden mussten.

Jedoch fehlte es nicht nur an Fiebersäften und Antibiotika, auch Blutdruckmittel und sogar Krebsmedikamente waren und sind noch immer vielerorts Mangelware. Schnelle und vor allem langfristige Lösungen scheinen nicht in Sicht. Der Druck auf die Pharmaindustrie aber auch auf die Politik wächst. Die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen ist auf dem Weg. Wie aber können Pharmaunternehmen selbst Lieferausfällen entgegen wirken und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern?

Asien: Von der „verlängerten Werkbank“ zum Konkurrenten

In den letzten Jahrzehnten haben pharmazeutische Unternehmen im Zuge der Globalisierung die Produktion ausgelagert. Asien wurde – wie für viele andere Branchen auch – aufgrund kostengünstiger Fertigungsprozesse und weniger strengen Umweltauflagen, zur „verlängerten Werkbank“. Doch diesen Status haben Länder wie China und Indien schon lange nicht mehr. Auch im pharmazeutischen Sektor entwickeln sie sich zu ernstzunehmenden Wettbewerbern.

Kamen zu Beginn hauptsächlich nur aktive pharmazeutische Wirkstoffe (APIs) und Zwischenprodukte aus Asien nach Europa zur Weiterverarbeitung, nimmt aktuell auch die Zahl der fertigen Darreichungsformen (FDFs) zu. Da diese jedoch strikten Regulierungsvorschriften unterliegen, ist die Situation hier momentan aktuell (noch) etwas anders gelagert. Vorschriften, die in Asien nicht eingehalten werden können, sowie eine geringere Haltbarkeitsdauer führen dazu, dass die Produktionsstätten von FDFs gleichmäßiger um den Globus und näher an den Endmärkten angesiedelt sind.

Generika und Biopharmazeutika – unterschiedliche Lieferketten?

In unserer täglichen Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln stellen Generika, also wirkstoffreiche Nachahmerprodukte, den überwiegenden Teil. Die Herstellung generischer APIs hat zudem den größten Umsatzanteil. Ablaufende Patente von Originalmedikamenten und niedrige Herstellkosten führen zu einer weiteren Steigerung. Die Produktion generischer Wirkstoffe erfolgt überwiegend im nichteuropäischen Ausland.

Die Produktionsstätten von Wirkstoffen innovativer Biopharmazeutika befinden sich aktuell überwiegend in Europa und in den USA. Auch die pharmazeutische Industrie in Deutschland ist vorrangig auf die Herstellung innovativer und komplexer Wirkstoffe spezialisiert.

Mit Produktionsstandorten, die gleichmäßig um den Globus verteilt bzw. hauptsächlich in Europa und Nordamerika angesiedelt sind, sind die Lieferketten innovativer Biopharmazeutika und medizinischer Fertigprodukte aktuell noch anders zu bewerten als die generischer Wirkstoffe.

Jedoch gewinnen China und Indien auch hier in letzter Zeit an Bedeutung. Die Zulassungen von Produktionsstätten in diesen Ländern nimmt stetig zu. Sollte sich die bei Generika zu beobachtende Entwicklung wiederholen, und nach und nach eine Verlagerung der Fertigung biopharmazeutischer Wirkstoffe Richtung Asien erfolgen, werden hier wahrscheinlich neue Abhängigkeiten entstehen.

Die hohe Abhängigkeit von asiatischen Wirkstoffherstellern birgt Risiken

Während der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass die pharmazeutischen Lieferketten aufgrund vergleichsweiser hoher Sicherheitsbestände von Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln deutlich besser abgesichert sind, als die manch anderer Branchen. Doch auch die höchsten Sicherheitsbestände gehen irgendwann zu Neige und somit birgt die Konzentration von Pharma-Produktionsstätten in Asien weiterhin Risiken. Aktuell sind es geopolitische Herausforderungen und daraus resultierende angespannte Handelsbeziehungen, vor denen die europäische Pharmaindustrie steht. Grundsätzlich erhöht eine zu starke Konzentration der Fertigung auf eine einzige Region die Störanfälligkeit unserer globalen Supply Chains.

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Warum Supply Chain Analytics

Diversifikation als Schlüssel für resiliente Pharma-Lieferketten

Damit Europa und somit Deutschland nicht vom internationalen Wettbewerb vom Pharmamarkt verdrängt werden, und um die Patientensicherheit garantieren zu können, müssen Pharmaunternehmen aktiv handeln. Hierbei werden potenzielle Maßnahmen sich zwar kurzfristig mit der generischen Wirkstoffproduktion befassen, doch sind mittel- bis langfristig alle Medikamentensegmente – also auch Biopharmazeutika und FDFs– zu berücksichtigen.

Pharmaunternehmen müssen die Flexibilität und Resilienz ihrer globalen Lieferketten erhöhen, und so die Widerstandsfähigkeit gegenüber Disruptionen stärken. Für einen erfolgreichen Umgang mit der Supply-Chain-Problematik können Unternehmen verschiedene Maßnahmen ergreifen:

Flexibilisierung und Diversifizierung der Beschaffung

Wie bereits erwähnt, werden durch die singuläre Konzentration auf eine Region als Lieferant Abhängigkeiten geschaffen, die sich letztendlich auf die Liefersicherheit auswirken. Die aktuelle geopolitische Situation birgt Handelskonflikte, die zu Störungen der Lieferketten führen.

In der Pandemie haben wir alle gelernt, wie wichtig Diversifizierung ist. Zentral hierbei ist die Schaffung eines größeren Lieferantennetzwerks. Die Verteilung der Produktionsstätten über mehrere geografische Regionen hinweg – ggf. in Form von Nearshoring oder Onshoring – ist eine Maßnahme zur Erhöhung der Fertigungsagilität und Risikostreuung.

Eine andere sind flexible Verträge mit Lieferanten und Produzenten. Sie ermöglichen eine zügige Anpassung von Produktionsorten und -mengen und somit eine schnelle Reaktion auf Marktverknappungen.

Standortplanung: Nearshoring, Onshoring und Insourcing

Die Suche nach der besten Lieferantenzusammensetzung führt aktuell zur Deglobalisierung. Offshore-Produktionen werden von Asien in Form von Nearshoring und Onshoring an Standorte verlagert, die sicherere Lieferungen garantieren.

Pharmaunternehmen denken zudem darüber nach, welche Vorprodukte (wieder) im eigenen Unternehmen hergestellt werden können. Die Eigenproduktion hat klar den Vorteil, dass sie weniger risikobehaftet ist und eine Steuerung von Produktionsmenge und -zeit erheblich vereinfacht.

Jedoch sind gerade die finanziellen Aspekte und damit einhergehend die Wettbewerbsfähigkeit gute Gründe für Outsourcing und Offshoring. Da es sich bei der Standortauswahl um eine strategische und langfristige Entscheidung handelt, sollte sie genau überdacht und geplant sein.

Optimierung der Bestands- und Nachfrageplanung

Eine weitere Maßnahme, um auf plötzliche Marktverknappungen vorbereitet zu sein und so die eigene Produktion gewährleisten zu können, ist eine präzise Bestands- und Nachfrageplanung.

Im Rahmen eines guten Bestandsmanagements ist immer für einen ausreichend hohen Sicherheitsbestand an pharmazeutischen Wirkstoffen und Komponenten gesorgt. Dieser kann mithilfe einer exakten Nachfrageprognose optimal ermittelt werden, um mögliche Mehrkosten zu vermeiden. Auf diesem Wege ist es möglich Produktionsmengen flexibel an künftige Nachfragesituationen anzupassen.

Digitalisierung

Digitalisierung und Automatisierung sind unerlässlich für die Schaffung resilienter Lieferketten. Nur mithilfe digitaler Lösungen ist eine Analyse der großen Datenmengen, die Supply Chains generieren, überhaupt möglich. Digitale Instrumente, die bestenfalls in Echtzeit arbeiten, schaffen Transparenz und ermöglichen das frühzeitige Erkennen von Risiken und potenziellen Störfaktoren. Ein Planungstool wie OPTANO hilft bei der Identifizierung kritischer und disruptiver Ereignisse und hilft geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

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Mathematische Optimierung für effiziente Maßnahmen

Die alarmierenden Meldungen von Ärzten und Krankenhäusern machen deutlich, wie wichtig die Produktionskontinuität von Pharmazeutika ist. Die genannten Maßnahmen tragen alle zur Schaffung resilienter und robuster Lieferketten bei – um letztendlich die Patientensicherheit zu gewährleisten.

Auch wenn diese Sicherheit oberste Priorität hat, können die Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz nicht einfach so umgesetzt werden. Denn sie alle haben Einfluss auf die Kosten und somit letztendlich auf die Rendite und Wirtschaftlichkeit jedes einzelnen Pharmaunternehmens. Deshalb müssen diese Unternehmen abwägen, welche Vorgehensweisen mit Hinblick auf die festgelegten Ziele die besten sind oder wie ihre Umsetzung optimal erfolgen kann.

Eine Möglichkeit zur Entscheidungsfindung ist der Einsatz moderner Analyseverfahren. Mithilfe mathematischer Optimierungsmethoden erfolgt die Analyse der riesigen Informations- und Datenmengen, die Supply Chains auf all ihren Stufen produzieren.

Optimierung auf mehrere Ziele mit OPTANO

Beim Einsatz mathematischer Optimierung sind der Menge an Optimierungszielen keine Grenzen gesetzt. Bei der Planung lassen sich beliebig viele Zielvariablen in die Berechnungen mit aufnehmen. Wie kann eine Optimierungssoftware wie OPTANO aber bei den einzelnen Aspekten unterstützen?

Resilienz schaffen durch Diversifikation

Für den Aufbau eines optimalen Lieferantennetzwerks analysiert eine Optimierungssoftware wie OPTANO alle relevanten Aspekte mithilfe eines mathematischen Modells. Zudem ermöglichen Szenario-Planungen sowie Risiko- und Chancenanalysen auf plötzliche Veränderungen in der Supply Chain reagieren zu können.

Standortplanung

Verlagerung der Produktionsstätte? Near- oder Onshoring? Die Analyse aller Potenziale und Widersprüche bei der Standortfrage in Form einer Netzwerkplanung hilft Unternehmen langfristig die richtigen Entscheidungen zu treffen und dabei sowohl Aspekte wie Kosten als auch Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit zu berücksichtigen.

Nachfrageprognosen

Die Analyse von Gesundheitsdaten kann helfen, die künftige Nachfrage nach Medikamenten besser zu prognostizieren und so Beschaffung und Produktion zu optimieren. Für die Erstellung von Prognosen verwendet OPTANO effiziente mathematische Modelle, in denen die wesentlichen Aspekte einer Nachfrage- und Angebotsfunktion abgebildet werden. Mit Machine-Learning-Algorithmen werden diese laufend weiter trainiert.

OPTANO unterstützt bei der Organisation der Lieferketten

Die beschriebenen Lösungsansätze sind nur kurze Beispiele, wie OPTANO als Optimierungssoftware bei Planungen unterstützen kann. Die Schaffung von Resilienz, Netzwerkplanung, und Nachfrageprognosen sind nur einige von vielen Handlungsfeldern.

Mit OPTANO können Unternehmen ihre Planungen schneller, einfacher und besser durchführen. Mithilfe intelligenter Methoden der mathematischen Optimierung und Solvern ist die Analyse tausender What-If-Szenarien ganz einfach per Knopfdruck möglich. Das Ergebnis sind Handlungsempfehlungen, die die – oftmals auch konträren – Ziele optimal erfüllen.
So erhalten Pharmaunternehmen konkrete Vorschläge, wie sie die Balance zwischen der nötigen Resilienz in ihrer Lieferkette und den Kosten, die aus den potenziellen Maßnahmen entstehen, im Gleichgewicht halten.

Interessiert? Wir beraten Sie gerne und sind nur einen Telefonanruf oder eine E-Mail entfernt! Und wenn Sie mehr über das Thema Supply Chain Analytics erfahren möchten, lesen Sie unser Factsheet „Warum Supply Chain Analytics?

Sicherheit schaffen

Unternehmen allein werden die herausfordernde Situation nicht meistern können. Speziell im Pharmasektor ist die Frage nach der Resilienz von Lieferketten eine Frage mit politischer Dimension – über nationale Grenzen hinaus. Gesetzliche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, um Unternehmen Planungssicherheit zu geben. Und uns als Patient*innen die Sicherheit, dass Medikamente verfügbar sind.

Kennen Sie schon unser Factsheet zum Thema?

In unserem Factsheet „Warum Supply Chain Analytics?“ finden Sie einen Überblick über die verschiedenen Arten der Lieferketten-Analyse. Sie erfahren, wie Supply Chain Analytics funktioniert und wie es helfen kann, die Lieferketten Ihres Unternehmens zu optimieren.

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Dr. Dominik Hollmann
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