Mathematische Optimierung in der Agrarwirtschaft

Mathematische Optimierung in der Agrarwirtschaft

Wie die Ungewissheit in der landwirtschaftlichen Betriebsführung mit mathematischen Optimierungsverfahren bewältigt werden kann

Als ich ein Kind war, war eine meiner Lieblingssendungen im Fernsehen „Unsere kleine Farm“, die das Leben einer kleinen Bauernfamilie in der amerikanischen Prärie im späten 19. Jahrhundert schilderte. Die berühmte Familie Ingalls hatte auf ihrer Farm viele Entbehrungen zu ertragen: die mühsame Arbeit bei der Feldarbeit, weil es keine modernen Geräte gab, extreme Wetterbedingungen, Ernteausfälle und die logistischen Schwierigkeiten, die Ernte in die nächstgelegenen Städte zu bringen.

Wenn die Familie Ingalls die riesigen Viehzuchtbetriebe auf dem Land sehen könnte, das sie früher bewirtschafteten, oder die hochmodernen Traktoren, Mähdrescher, Sprühgeräte, usw., die die Landwirte heute einsetzen, wären sie erstaunt und wahrscheinlich zutiefst neidisch. Doch der Schein trügt, und die Landwirte von heute haben ihre eigenen Herausforderungen, von denen sich einige nicht wesentlich von denen der Landwirte vor 100-150 Jahren unterscheiden – allen voran das Thema Unvorhersehbarkeit und damit Unsicherheit.

In diesem Artikel befassen wir uns mit der Frage, wie die Ungewissheit in dieser Branche durch ein effizientes landwirtschaftliches Betriebsmanagement mithilfe digitaler Lösungen wie der mathematischen Optimierung besser bewältigt werden kann.

Die Landwirtschaft: Wo Unsicherheit herrscht

Wie jeder andere Industriezweig hat auch die Landwirtschaft im letzten Jahrhundert einen weiten Weg zurückgelegt. Ein Großteil der Arbeit ist mittlerweile automatisiert: unter anderen Melkmaschinen in der Milchwirtschaft, Landmaschinen, die vollständig mit GPS-Systemen und Sensoren ausgestattet sind, usw. Die Düngepraktiken sind weitaus fortschrittlicher und effizienter, z. B. die Fertigation, bei der Düngung und Bewässerung kombiniert werden, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Doch trotz aller Fortschritte ist der Sektor immer noch einer der unberechenbarsten überhaupt. Die wichtigsten Herausforderungen, die die Branche verunsichern, sind:

  • sich ändernde Wetterbedingungen, dazu mit dem Klimawandel, der Extreme wie Dürren und Überschwemmungen mit sich bringt, und eine gefährdete Artenvielfalt,
  • plötzlich auftretende Krankheiten, die ganze Viehbestände oder Ernten befallen können,
  •  eine unbeständige Lieferkette und die sich ändernden Erwartungen der Verbraucher.

Die Landwirtschaft ist jedoch ein wesentlicher Bestandteil der Infrastruktur eines Landes und natürlich die Quelle unserer weltweiten Nahrungsmittelversorgung. Daher muss in der Branche ein Höchstmaß an Produktivität aufrechterhalten und gleichzeitig Nachhaltigkeit gewährleistet werden. Doch wie kann dies erreicht werden, wenn so viel Unsicherheit herrscht?

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Was bringt mathematische Optimierung?

Effiziente Erntemanagement ist wichtig

Unsicherheiten lassen sich durch ein effizientes Erntemanagement weitgehend verringern. Wie in anderen Wirtschaftszweigen auch, geht es darum, Strategien und Methoden zu entwickeln, die dazu beitragen, die Produktivität und Rentabilität eines landwirtschaftlichen Betriebs zu erhalten, indem beispielsweise die Ernteerträge verbessert und Ressourcen eingespart werden.

Beim Erntemanagement sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

 

Bepflanzung

Dazu gehört die Vorbereitung des Saatbetts, um sicherzustellen, dass es die richtige Bodenfeuchtigkeit und -temperatur für die jeweiligen Kulturen aufweist und frei von Unkraut ist, das das Wachstum der Pflanzen beeinträchtigen kann. Sobald die Vorbereitungen abgeschlossen sind, kann das Saatgut gepflanzt werden. Hierfür muss der Landwirt wissen, was er am besten wann und wo säen muss.

 

Düngung und Schädlingsbekämpfung

Hier ist es wichtig, die Menge und die Art des Düngers zu bestimmen (z. B. flüssig, gasförmig, trocken). Die Landwirte müssen wissen, wann und wie sie den Dünger ausbringen müssen (tiefes Ausbringen, Ausstreuen, Reihen, Streifen oder variable Ausbringung). Auch der Einsatz von Pestiziden muss berücksichtigt werden. Genau wie bei den Düngemitteln ist es wichtig, dass die richtigen Mengen ausgebracht werden. Bei längerem Einsatz ein und desselben Schädlingsbekämpfungsmittels werden die Schädlinge nach einiger Zeit unempfindlich dagegen, so dass es irgendwann notwendig wird, andere Methoden anzuwenden. In diesem Fall muss man wissen, wie lange ein Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet werden sollte und in welchen Abständen ein Wechsel erfolgen muss.

 

Bewässerung

Der Agrarsektor ist für 70 % des weltweiten Wasserverbrauchs verantwortlich. In einer Zeit, in der Wasser eine unserer wertvollsten Ressourcen ist, deren Verschwendung wir uns nicht länger leisten können, müssen die Betriebsleiter das richtige Gleichgewicht finden. Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Pflanzen die richtige Wassermenge erhalten, um den Ertrag zu steigern und gleichzeitig den Wasserverbrauch zu senken. Eine Überbewässerung ist nicht nur verschwenderisch, sondern kann auch den Nährstoffgehalt des Bodens senken und zu schlechten Ernteerträgen führen. Effiziente Bewässerungssysteme wie Mikro-Sprinkler können so geplant werden, dass sie große Mengen an Wasser sparen. Dennoch kann es aufgrund unvorhersehbarer Wetterbedingungen schwierig sein, die Bewässerung wie gewünscht zu steuern.

 

Ernte

Der richtige Zeitpunkt für die Ernte ist entscheidend, um starke Ertragseinbußen zu vermeiden. Die einzelnen Kulturen sind unterschiedlichen Erntebedingungen unterworfen, von Luft- und Bodenfeuchtigkeit  bis zu Temperaturen. Das Erntegut muss dann  unter den richtigen Bedingungen gelagert werden. So muss beispielsweise der empfohlene Feuchtigkeitsgehalt   eingehalten werden, um eine optimale Qualität zu gewährleisten und das Risiko eines Schädlingsbefalls zu verringern.

Dank der Fortschritte der Präzisionslandwirtschaft (oder Smart Farming) der letzten Jahrzehnte sind viele der eingesetzten Geräte und Maschinen mit fortschrittlichen Technologien wie Sensoren und GPS-Systemen ausgestattet. Viele landwirtschaftliche Betriebe setzen auch Drohnen für viele ihrer Tätigkeiten ein. Mit diesen fortschrittlichen Methoden können wichtige Daten gesammelt werden, die die Landwirte zur Bewältigung der oben genannten Verfahren benötigen. Bodendaten über den PH-Wert, den Feuchtigkeits- und Nährstoffgehalt usw., meteorologische Daten und Daten von Bewässerungssystemen sind nur einige der Werte, die den Landwirten bei der Festlegung und Planung von Pflanz-, Dünge-, Bewässerungs- und Ernteplänen helfen können.

Fütterungsmanagement: das optimale Gleichgewicht finden.

Gutes Fütterungsmanagement sorgt dafür, Vieh und Geflügel mit der richtigen Menge und Qualität an Nährstoffen zu versorgen, die Tiere nicht zu über- oder unterfüttern und gleichzeitig keine Futtermittel zu verschwenden.

Der FCR (Feed Conversion Ratio und auf Deutsch Futterverwertungsrate) ist hier von großer Bedeutung. Sie misst die Effizienz, mit der die Tiere das Futter in Leistung umwandeln (bei Milchkühen ist das z. B. Milch).

FCR gibt zwar einen guten Einblick in die Verwertung des Futters, allerdings ist er für die Rentabilität des gesamten Betriebes nicht allein aussagekräftig. Hierfür müssen noch weitere Faktoren beachtet werden wie die Kosten für das Futter selbst sowie der Lieferkosten. Da die Futtermittelpreise steigen oder stark schwanken, ist es für die Landwirte umso wichtiger, zu ermitteln, welches Futtermittel in welcher Menge das Vieh oder Geflügel zu sich nehmen muss, um den empfohlenen Mindestbedarf an Nährstoffen und Futtermitteln zu möglichst geringen Kosten zu decken. Hier sind spezifische Daten über Gewicht, Rasse und Genetik der Tiere erforderlich, aber auch Daten über Preise, Verfügbarkeit von Futtermitteln, Lieferung, Lagerung usw.

Exkurs in die Geschichte der Optimierung:
Wo wir gerade beim Thema optimale Ernährung sind...

Beim Nahrungsproblem (auch als Stiglersches Ernährungsmodell bekannt) geht es darum, eine Reihe von Lebensmitteln auszuwählen, die die täglichen Nährstoffanforderungen zu minimalen Kosten erfüllen. Das Ziel besteht darin, die Kosten zu minimieren, und die Beschränkungen bestehen darin, die festgelegten Ernährungsanforderungen zu erfüllen. Die Beschränkungen des Nahrungsproblems regeln die Anzahl der Kalorien und die Menge an Vitaminen, Mineralien, Fett, Natrium und Cholesterin in der Nahrung. Die mathematische Formulierung ist einfach. Die Lösung muss jedoch nicht unbedingt schmackhaft sein, da die Nährstoffanforderungen ohne Rücksicht auf Geschmack oder Vielfalt erfüllt werden können.

Das Nahrungsproblem war eines der ersten Optimierungsprobleme, das in den 1930er und 1940er Jahren untersucht wurde. Das Problem entstand durch den Wunsch der US-Armee, die Kosten für die Verpflegung der Soldaten im Feld zu minimieren und ihnen dennoch eine gesunde Ernährung zu bieten. Einer der ersten Forscher, der sich mit diesem Problem befasste, war George Stigler. Er schätzte, dass die Kosten für eine optimale Ernährung 39,93 $ pro Jahr betragen würden (nach den Preisen von 1939). Im Herbst 1947 verwendete Jack Laderman vom Mathematical Tables Project des National Bureau of Standards die neu entwickelte Simplex-Methode, um Stiglers Modell zu lösen. Als erste „groß angelegte“ Berechnung in der Optimierung bestand das lineare Programm aus neun Gleichungen mit 77 Unbekannten. Neun Angestellte benötigten mit handbetriebenen Tischrechnern 120 Manntage, um die optimale Lösung von 39,69 Dollar zu finden. Stiglers Schätzung lag nur um 0,24 Dollar pro Jahr daneben!

Gefährdete Lieferketten in der Landwirtschaft

Eine weitere große Herausforderung in der Landwirtschaft sind instabile Lieferketten. Es wird immer schwieriger, hochwertiges Saatgut und Futtermittel zu beschaffen. Der Krieg in der Ukraine hat sich stark auf die Branche ausgewirkt, da die Ukraine eines der größten Anbaugebiete von Weizen und Sonnenblumen ist. Unterbrechungen in der Lieferkette führen zu Lieferverzügen, die wiederum zu späterer Bepflanzung und Ernte führen und letztlich zu höheren Preisen für Landwirte und Verbraucher.

Die Landwirte müssen ihre Lieferketten überdenken und dafür sorgen, dass diese transparenter und zuverlässiger sind. Dazu müssen sie Entscheidungen zu verschiedenen Fragen treffen – wie sie Saatgut und Futtermittel zu angemessenen Preisen einkaufen können, wie sie sicherstellen, dass die Lieferungen zuverlässig sind, usw.

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Intelligente Landwirtschaft in Kombination mit mathematischer Optimierung als Lösung für landwirtschaftliche Herausforderungen

Wie bereits erwähnt, können Methoden der Präzisionslandwirtschaft oder der intelligenten Landwirtschaft relevante Daten sammeln, die den Landwirten wertvolle Einblicke in ihren Betrieb geben. Vor allem in großen landwirtschaftlichen Betrieben kann die Masse der Daten jedoch überwältigend sein, und ohne die richtige Software ist es schwierig, mögliche Lösungen zu erkennen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

An dieser Stelle kann die mathematische Optimierung eine wichtige Rolle spielen. Software, die mathematische Optimierung anwendet, hilft Landwirten, ihre Arbeitsabläufe besser zu verstehen, indem sie die erfassten Daten in wichtiges Wissen umwandelt. Dazu werden alle relevanten Daten von Sensoren, Maschinen, GPS-Systemen, Drohnen sowie externe Daten über das Wetter, historische Daten über den Ausbruch von Krankheiten, Düngung, Schädlingsbekämpfung usw. in die Software integriert, wo sie dann schnell analysiert und berechnet werden können, um wertvolle Erkenntnisse zu liefern.

Im  Erntemanagement: Boden- und Wetterdaten können mithilfe mathematischer Optimierung analysiert werden, um einen landwirtschaftlichen Betrieb bei der Entscheidung zu unterstützen, wann und wo gepflanzt oder geerntet werden soll, und um optimierte Pflanz- und Erntepläne zu erstellen. Mit Was-wäre-wenn-Szenarien können verschiedene Fragestellungen analysiert werden. Was würde passieren, wenn Kultur A auf Feld B angepflanzt würde? Was wäre, wenn für Flüssigdünger anstelle von Gas entscheiden würde? Was würde passieren, wenn die Futtermittellieferanten gewechselt werden würden, und viele weitere Situationen. Diese Szenarien können Entscheidungsprozesse erheblich erleichtern.

Im Futtermittelmanagement: Durch Eingabe aller relevanten Daten über das Vieh (Gewicht, Rasse, Geschlecht, Genetik usw.) sowie verschiedener Futterarten und -preise, Nährstoffgehalte usw. kann mit mathematischer Optimierung die beste Ernährung für Vieh und Geflügel zu den niedrigsten Kosten gefunden werden. Dabei handelt es sich um ein klassisches mathematisches Optimierungsproblem, das gemeinhin als Diätproblem bekannt ist (siehe unseren Exkurs).

Auf diese Weise erhalten die Landwirte gezielte Empfehlungen, die sie dabei unterstützen, fundierte Entscheidungen zu treffen, die nicht nur die Produktivität bei geringeren Kosten maximieren, sondern auch das Wohlergehen der Tiere gewährleisten.

 

Optimale Ergebnisse mit OPTANO ernten

Eine Softwareplattform wie OPTANO setzt maschinelles Lernen als leistungsstarke Predictive Analytics-Technologie ein, um genaue Vorhersagen über Wetterereignisse, Krankheitsausbrüche, Preisentwicklungen, Produktverfügbarkeit usw. treffen zu können. Anschließend setzt sie mathematische Optimierung als leistungsstarkes Prescriptive Analytics-Tool ein, um die besten Ergebnisse zu berechnen und gezielte Handlungsempfehlungen zu geben. Die Kombination dieser beiden Methoden kann für landwirtschaftliche Betriebe von Vorteil sein.

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Ende gut, alles gut!

In „Unsere kleine Farm“ war die Familie Ingalls zufrieden und im Allgemeinen erfolgreich mit ihrer Landwirtschaft. Natürlich wären sie sicher froh über die Technik gewesen, die den Landwirten heute zur Verfügung steht, aber alles in allem hatten die meisten Episoden ein glückliches Ende, trotz der extremen Höhen und Tiefen, denen die Familie oft ausgesetzt war. Mit der richtigen Optimierungssoftware können die Landwirte von heute auch ihre Herausforderungen erfolgreich meistern und der Unberechenbarkeit entgegensteuern.

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Denise Lelle
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