Individuelle Produktionsplanung in kleinen Losgrößen

Individuelle Produktionsplanung in kleinen Losgrößen

Wie man Individualität und Rentabilität in der Produktion verbindet

„Sie können einen Ford in jeder Farbe haben, Hauptsache er ist schwarz.“ soll der berühmte Henry Ford – der Pionier moderner Serienfertigung – einmal gesagt haben. Was damals funktionierte, wäre bei den Ansprüchen heutiger Kund*innen zwangsläufig zum Scheitern verurteilt – denn der Trend heißt: Individualisierung. Was für die Kund*innen als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit dient, ist oftmals eine Herausforderung für die Produktionsplanung. Wie trotz kleiner Losgrößen kostenoptimal produziert werden kann, wollen wir uns in diesem Artikel einmal anschauen.

Das Problem geringer Fertigungsmengen

Bisher galt: Je größer die zu produzierende Charge, desto geringer die Stückkosten. Dieses Phänomen kennen wir als „Skaleneffekt“. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Stückkosten steigen, wenn sich die Produzierenden Losgrößen verringern. Dies liegt an den oftmals hohen Einrichtungs- und Anlaufkosten in der Produktion, die unabhängig von der zu produzierenden Losgröße anfallen – unabhängig davon, ob das Produkt in der Vergangenheit bereits schon einmal hergestellt wurde. Sie bestehen grob aus folgenden Komponenten:

Produktionsplanung

Die Aufträge müssen in Reihenfolge gebracht und auf die Passenden Maschinen aufgeteilt werden. Hierbei ist bei mehrstufigen Prozessen darauf zu achten, dass es nicht zu Flaschenhälsen kommt, welche die Produktion insgesamt verzögern.

Bereitstellung von Ressourcen

Rohmaterialien und Zwischenprodukte müssen bereitgestellt, Personal für den Rüstvorgang und die Produktion bereitgestellt werden. Speziell die erste Gruppe bildet dabei oft einen Engpass.

Maschineneinrichtung

Die Maschine muss gerüstet und für die Produktion vorbereitet werden.

Probeläufe und Nachjustierungen

Um den reibungslosen Ablauf der Produktion zu garantieren, müssen Probeläufe stattfinden und die Einstellungen immer wieder nachjustiert werden.

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Moderne Produktionsplanung

Mitunter wird versucht dem Problem zu begegnen, indem man die Losgrößen unabhängig vom tatsächlichen Bedarf erhöht. Und tatsächlich gelingt es auf diese Weise die Stückkosten rechnerisch zu drücken. Jedoch holt man sich auf diese Art einen ganzen Strauß anderer Probleme ins Haus, nämlich:

Längere Durchlaufzeiten

Aufträge, die in weiten Teilen lediglich den Lagerbestand füllen, blockieren Kapazitäten. Evtl. Folgeaufträge können sich hierdurch verzögern und die Liefertreue gefährden.

Höhere Lagerkosten

Die Einlagerung von Halbfertig- und Fertigprodukten erfordert größere Lagerkapazitäten, die betrieben und versichert werden müssen.

Mehr gebundenes Kapital

Eingelagerte Halbfertig- und Fertigprodukte binden Kapital, da Ressourcen in sie investiert wurden, die nicht sofort kapitalisiert werden können.

Risiko durch ggf. unverkäufliche Bestände

Werden Produkte auf Vorrat eingelagert, besteht immer die Gefahr, dass sie am Ende nicht verkauft werden können. Das Problem verschärft sich bei Produkten mit begrenzter Haltbarkeit. Abschreibungen drohen.

Die oben genannten Nachteile sorgen dafür, dass eine nicht marktgetriebene Erhöhung der Produktionsmengen, keine adäquate Problemlösung darstellt. Aber wie könnte man stattdessen vorgehen?

Mit vorausschauender Planung zu mehr Kosteneffizienz

Bei einer Produktion mit kleinen Losgrößen kommt es mehr als sonst auf die Produktionsplaner*innen und ihre Expertise an. Es gilt die Planung so zu gestalten, dass Rüstzeiten minimiert und Aufträge intelligent gruppiert werden, um trotz kleiner Lose möglichst große Skaleneffekte zu erzielen. Je mehr Daten hierbei zur Verfügung stehen, desto besser. Schauen wir uns einmal drei Aspekte genauer an:

Rüstzeitenminimale Planung

Rüstzeiten sind mit der stärkste Treiber gesteigerter Kosten bei geringen Losgrößen. Daher gilt es so gut wie möglich häufige Unterbrechungen zum Einrüsten von Maschinen zu vermeiden und die Rüstzeiten selber so kurz wie möglich zu halten. Ein sehr anschauliches Beispiel stellen in diesem Zusammenhang Lackierstraßen von Automobilherstellern dar. Sollen nach einer dunklen Farbe eine Charge mit hellen Farben lackiert werden, müssen die Sprühköpfe besonders gründlich gespült werden. Die Rüstzeiten fallen also dementsprechend hoch aus. Deshalb wird in der Planung – neben allen weiteren Parametern – auch auf eine optimale Farbreihenfolge geachtet, um die Rüstzeiten zu senken.

Zusammenfassung oder Splitten gleichartiger Aufträge

Eine weitere Möglichkeit besteht in einer intelligenten Gruppierung unterschiedlicher Aufträge. In diesem Fall werden also Aufträge mit gleicher Spezifikation gesammelt und gruppiert, um in Summe eine rentable Losgröße zu erhalten. Dies kann jedoch zu längeren Lieferzeiten führen, die vielleicht nicht alle Kund*innen bereit sind mitzutragen. Eventuell ließe sich dieses Problem umgehen, indem Teilmengen geliefert werden, was sich jedoch negativ auf die Transportkosten auswirkt. Hier gilt es für die Planer*innen den richtigen Trade-Off im Auge zu behalten. Angewandt wird diese Methode häufig bei den großen Online-Druckereien, die gleichartige Aufträge unterschiedlicher Auftraggeber*innen bündeln und im Netzwerk verteilen.

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Erstellung von Nachfrageprognosen

Liegen ausreichend belastbare Vergangenheitsdaten vor, können auch Nachfrageprognosen dazu beitragen die Stückkosten zu senken. Prognostiziert man für einen bestimmten Zeitraum einen höheren Bedarf eines Produktes, lassen sich die Losgrößen, zusätzlich zum direkt beauftragten Volumen, entsprechend erhöhen. Zwar würde auch in diesem Fall ein erhöhter Lagerbestand aufgebaut, aber mit einer ausreichend großen Wahrscheinlichkeit nur temporär. Ein Beispiel hierfür könnten Baustoffhersteller sein, die ebenfalls Endkund*innen-Produkte über DIY-Märkte vertreiben. Hier gibt es klare saisonale Peaks, die in der Produktionsplanung berücksichtigt werden können.

Mit den oben gezeigten, beispielhaften Methoden lassen sich die Stückkosten auch bei kleinen Losgrößen nachhaltig senken. Jedoch ist der Planungsaufwand dabei immens hoch und dadurch nicht zuletzt anfällig für kurzfristige Änderungen, die beispielsweise durch Maschinenausfälle oder Eilaufträge auftreten können. Hinzu kommt, das nur ein geringer Teil von Parametern und Querabhängigkeiten in der Planung berücksichtigt werden kann, weil diese sonst zu komplex wird. Manuell erstellte Produktionspläne sind daher selten optimal. Welche Vorteile hätte also eine mathematisch optimierte Produktionsplanung mit OPTANO anhand der gezeigten drei Beispiele?

Dank mathematischer Optimierung
Planungskomplexität beherrschen

Komplexität ist der Feind jeder Planung, wird diese jedoch zu stark reduziert verlieren die Pläne an Güte – entfernen sich also weiter von einem möglichen Optimum. Mathematische Optimierung ist dafür prädestiniert, komplexen Zusammenhängen zu begegnen und optimale Lösungen zu finden. Hierzu werden die zugrunde liegenden Prozesse zunächst analysiert, um Einflussfaktoren, Wirkzusammenhänge und Querabhängigkeiten zu identifizieren. Auf dieser Basis entsteht ein mathematisches Modell welches den Prozess abbildet. Mit Hilfe ausgefeilter Algorithmen werden nun auf Basis von Echtdaten Abermillionen Möglichkeiten berechnet um den optimalen Produktionsplan im Hinblick auf ein definiertes Ziel (hier: Stückkostenminimierung) zu finden. Besser noch: Die Optimierung kann auch auf mehrere Ziele ausgerichtet sind, beispielsweise Stückkostenminimierung und kürzmöglichste Lieferzeiten.

Ein mit OPTANO erstellter Produktionsplan würde also eine optimale Fertigungsreihenfolge finden, die gleichzeitig Rüst- und Durchlaufzeiten minimiert, Liefertermine einhält sowie die Maschinen optimal auslastet. Bei kurzfristigen Änderungen erfolgt eine Umplanung mit wenigen Klicks, ohne dass die Planungsgüte dabei abnimmt. Dank mächtiger Verfahren im Hintergrund, wie Prescriptive Analytics, erhalten Planer*innen konkrete Handlungsempfehlungen, wie sich die zuvor definierten Ziele praktisch umsetzen lassen – egal ob es um die Maschinenbelegung oder das Zusammenfassen von Aufträgen geht.

Erweitert werden kann die Planung durch mächtige Vorhersagemodelle, beispielsweise Nachfrageprognosen auf Basis von Predictive Analytics. Mit Hilfe maschineller Lernverfahren werden hierbei Zusammenhänge erkannt und berücksichtigt, die bei einer manuellen Betrachtung unentdeckt geblieben wären. Neben den Vergangenheitsdaten, können auch externe Quellen eingebunden werden. Stellt man beispielsweise fest, dass es einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung bestimmter Rohstoffpreise und der Nachfrage nach dem eigenen Produkt gibt, könnten diese in Echtzeit in das Vorhersagemodell eingebunden werden. Die so erstellte Nachfrageprognose fließt in den optimierten Produktionsplan ein und kann dafür sorgen, dass temporär Fertigungsmengen erhöht werden können, um die prognostizierte höhere Nachfrage im Prognosezeitraum zu bedienen. Dies erhöht die Auslastung der Maschinen und wirkt gleichzeitig in den Markt. Mit Hilfe mathematischer Optimierung lassen sich der Wunsch nach Individualität auf Kund*innen-Seite und Rentabilität auf Unternehmensseite verbinden.

Bunte neue Welt

Ob den Kund*innen der ersten Ford T-Modelle die Farbe als Kaufkriterium überhaupt wichtig gewesen wäre, wissen wir nicht. Wahrscheinlich würden sie ohnehin ob der mannigfaltigen Konfigurationsmöglichkeiten moderner Automobile ungläubig den Kopf schütteln. Und während wir uns bereits daran gewöhnt haben Autos individuell zu konfigurieren, ist dies beispielsweise bei Bekleidung auch für uns Konsument*innen ein vergleichsweise neues Phänomen. Der Trend zur Individualisierung von Produkten ist unbestritten und wahrscheinlich auch unumkehrbar. Aber mit den richtigen Werkzeugen an der Hand, ist dieser für Produktionsplaner*innen gut beherrschbar – und vielleicht sogar ein Wettbewerbsvorteil im Markt. Was der alte Henry Ford wohl dazu sagen würde?

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Wir haben Anwendungsfälle von Predictive und Prescriptive Analytics in der modernen Produktionsplanung in einem Factsheet zusammengestellt. Dieses können Sie hier herunterladen.

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Michael Osterkamp

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Dr. Sven Flake
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