Für mehr Ökologie
in der Produktion
Jeder Mensch, so weiß es der Volksmund, soll im Laufe seines Lebens einen Baum gepflanzt, ein Haus gebaut und ein Kind bekommen haben. Da kann ich mir selbst also mit gutem Gefühl auf die Schulter klopfen: Alles erledigt. Oder vielleicht auch nicht … denn kürzlich las ich in einem Artikel, dass eine vierköpfige Familie (und das sind wir) im Jahr durchschnittlich an die 44 Tonnen CO2 emittiert. 44 Tonnen! Da wird es wohl mit dem einen gepflanztem Baum nicht getan sein. Tatsächlich sprechen wir eher von ca. 88 Bäumen – pro Jahr – um den CO2-Ausstoß zu neutralisieren. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber in unserem Garten würde das langsam etwas eng.
Und doch zeigt dieses kleine Rechenexempel, dass etwas getan werden muss. In unserem heutigen Blogbeitrag wollen wir einige exemplarische Wege aufzeigen, wie Produktionsprozesse ökologischer gestaltet werden können und was mathematische Optimierung dazu beisteuern kann.
Von Märkten und Margen
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, steht ein Großteil des Produzierenden Gewerbes – speziell in den Endkundenmärkten – unter einem immensen Wettbewerbsdruck. Die Märkte sind in vielen Fällen stark gesättigt und in Verbindung mit der vorherrschenden Konkurrenz schmelzen die Margen wie Butter in der Sonne. Klar also, dass Beschaffungs- und Produktionsprozesse über Jahre auf maximale Kosteneffizienz getrimmt wurden. Doch was passiert nun? Für immer mehr Verbraucher*innen ist der Preis nicht mehr das alleinige Kaufkriterium. Einer Umfrage von Capgemini aus dem Jahr 2022 zur Folge, gaben 79% der Befragten an, Ihr Einkaufsverhalten vor dem Hintergrund ökologischer Aspekte zu überdenken.
Die Sensibilisierung der Verbraucher*innen hin zu mehr Ökologie, hat für die produzierenden Unternehmen jedoch einen großen Haken: Sie widersprechen nahezu diametral dem vorherrschenden Effizienzgebot. Das sich auch der Gesetzgeber mit Verordnungen und Gesetzen in diesen Reigen einreiht, macht es für die Unternehmen nicht besser.
Also wollen wir keine Zeit verlieren und uns gemeinsam einige Möglichkeiten anschauen, mit denen Produktionsprozesse ökologischer gestaltet werden können.
Schrittweise zu mehr Ökologie in der Produktion
Wenn wir Ihnen Methoden auf dem Weg zu einer umweltfreundlicheren Produktion aufzeigen, haben wir eine grobe Zweiteilung vorgenommen – in „passive“ und „aktive“ Methoden. Bei ersteren handelt es sich um Schritte, die sich in den laufenden Produktionsprozess integrieren lassen und sich somit wenig invasiv auf das etablierte Vorgehen auswirken. Bei den eher „aktiven“ Möglichkeiten geht es um strategische Überlegungen, die Teils zusätzliche Investments nach sich ziehen. Diese kurze Definition aus dem Weg, können wir direkt einsteigen.
Unsere Produktion soll grüner werden (passive Methoden)
A.) Erhöhung der Auslastung
Der Punkt liegt klar auf der Hand und natürlich werden Sie auch bereits jetzt alles daran setzen, Ihren Maschinenpark, Ihre Mitarbeiter*innen und Ihre sonstigen Ressourcen so effektiv wie möglich einzusetzen. Doch machen Sie sich bewusst: Jeder Stillstand kostet nicht nur Geld, sondern verschwendet auch aus Umweltgesichtspunkten Ressourcen. Jede ungenutzte Maschine, jedes nicht eingesetzte Vorprodukt wurde zuvor mit viel Energie und Mitteleinsatz hergestellt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind an diesem Tag zur Arbeit erschienen – vielleicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, oder dem Auto. Die Erhöhung der Auslastung in der Produktion hat also nicht nur positiven Einfluss auf den ROI, sondern auch auf den Grad des ökologischen Mitteleinsatzes.
B.) Erhöhung des Ausschöpfungsgrades
Dieser Punkt beschäftigt sich mit der Frage: Wie gut werden die eingesetzten Betriebsmittel ausgenutzt? Genauer: Wieviel Überschuss fällt beim Material an? Eines der frühen OPTANO Projekte beschäftigte sich mit der Frage, wie sich bei einem holzverarbeitenden Betrieb der Verschnitt bei den Holzbrettern minimieren ließe. Und obwohl in dem Unternehmen sehr viel Erfahrung beim möglichst effizienten Zuschnitt der benötigten Teile vorlag, konnte die mathematische Methode einen weiteren Effizienzgewinn sicherstellen. Auf denselben Punkt zahlt auch die Vermeidung von Ausschuss ein. Je früher es im Produktionsprozess gelingt, ein potenziell fehlerhaftes Produkt zu identifizieren, desto weniger Betriebsmittel werden für dessen Fertigstellung verschwendet.
C.) Erhöhung der Transporteffizienz
Es mag sich unvorstellbar anhören, aber ca. 60% der deutschlandweiten Transporte sind Leerfahrten – transportieren also keine Güter. Dies schlägt natürlich umso mehr zu Buche, wenn ein Unternehmen über eine eigene LKW-Flotte verfügt. Doch selbst wenn dem nicht so ist, lassen sich bei der Transporteffizienz viele Stellschrauben drehen: Wie oft wird angeliefert, welche Materialien werden per Direktfahrt, welche über Gebietsspeditionen zum Unternehmen verbracht, usw.? Je weniger Kilometer ein LKW unterwegs ist und je weniger Fahrten er machen muss, desto besser für die Umweltbilanz.
Wir müssen unsere CO2-Bilanz aktiv verbessern (aktive Methoden)
A.) Ökologisches Ressourcenmanagement
Die Frage der einzusetzenden Ressourcen ist komplex. Zusätzlich zu den benötigten Eigenschaften einer Ressource geht es darum, deren Herkunft, Verarbeitung, Transport und letztendlich Entsorgung zu betrachten. Wird der Rohstoff ökologisch erzeugt und verarbeitet? Gibt es räumlich näher gelegene Lieferant*innen, welche die gleichen Anforderungen erfüllen? Ist der Rohstoff umweltgerecht zu entsorgen? Und bei all dem dürfen die Kosten nicht aus den Augen verloren werden. All diese Fragen kommen auf die Einkaufsabteilung zu. Darüber hinaus muss beim Substituieren eines Rohstoffs evtl. die Produktion umgestellt und die Mitarbeiter*innen geschult werden – ggf. werden sogar andere Maschinen benötigt. Ein solcher Schritt muss also wohl überlegt sein und bedarf viel Planung und zeitlichem Vorlauf.
B.) Umstellen auf ökologische Energie
Bei der Energieversorgung kann theoretisch relativ kurzfristig auf ökologisch erzeugte Energie umgestellt werden. Neben den Mehrkosten ist dabei die Versorgungssicherheit ein wichtiges Thema – schließlich muss der Betrieb kontinuierlich weiterlaufen. Aber in diesem Zusammenhang kann eine weitere Frage wichtig werden: Wollen wir die Energie am Markt einkaufen, oder wollen wir sie vielleicht sogar selbst erzeugen? Unter Umständen hätte dies sogar positive Aspekte. Nicht nur, dass sich ein solcher Schritt positiv in der Außendarstellung auswirkt, es kann sich aufgrund von Zuschüssen und Subventionen sogar finanziell lohnen.
C.) Aktiver ökologischer Ausgleich
Auf LinkedIn kann man recht schön verfolgen, dass immer mehr Unternehmen den Gegenwert Ihrer jährlichen CO2-Emissionen in Aufforstungsprojekte investieren. So bepflanzen manche regelrechte Firmenwälder und binden auch die Mitarbeiter*innen aktiv in die Bepflanzung und Pflege ein. Alternativ gibt es viele Vereine und Institutionen bei denen Bäume für Aufforstungsprojekte gespendet werden können. Das hat Charme und nicht nur Ihre Marketing-Abteilung wird für einen solchen Schritt dankbar sein.
Mit diesen „passiven“ und „aktiven“ Methoden können Unternehmen zu einer ökologischeren Produktion beitragen. Darüber hinaus gibt es sicherlich noch einige Möglichkeiten mehr, aber wir wollen unseren Blick an dieser Stelle darauf richten, wie mathematische Optimierung dabei helfen kann, die beschriebenen Möglichkeiten umzusetzen.
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Mathematik, bitte übernehmen Sie
Vielleicht haben Sie es geahnt, aber mathematische Optimierung kann Ihnen bei vielen der im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigten Möglichkeiten nützlich sein. Mit ihr können Sie nicht nur Prozesse effizienter gestalten, sondern auch Prognosen erstellen oder unterschiedlichste Szenarien simulieren, um auf deren Basis strategische Entscheidungen zu treffen. Wir zeigen im Folgenden die wichtigsten Anwendungsmöglichkeiten.
A.) Multiziel-Optimierung
Mathematische Optimierung versetzt Sie in die Lage, Strukturen und Prozesse konsequent anhand eines vordefinierten Ziels zu optimieren. So könnten Sie beispielsweise die Ziele „minimale Kosten“ oder auch „maximale Liefertreue“ vorgeben. Auf Basis der realen Unternehmensdaten errechnet der Algorithmus die optimale Fertigungsreihenfolge und macht aktiv Vorschläge für die praktische Umsetzung. Das Schöne hierbei ist: Es kann nicht nur auf ein Ziel hin optimiert werden, sondern auf Mehrere. Und diese Ziele können sich sogar im Prinzip widersprechen.
In unserem Beispiel wäre es also möglich ökonomische und ökologische Ziele in einer Optimierung zu erfüllen. Eine Möglichkeit wäre, bspw. den CO2 Ausstoß unterschiedlicher Arbeitsschritte mit einem Preis zu versehen. Je „umweltschädlicher“ eine mögliche Vorgehensvariante wäre, desto „teurer“ wäre sie auch. Das bedeutet, dass ein auf Kosteneffizienz ausgerichteter Algorithmus automatisch „umweltfreundlichere“ Vorgehensvarianten bevorzugt. Natürlich wäre der Umweltaspekt nur einer von Vielen, die zum Optimierungsergebnis beitragen, aber man kann sicher davon ausgehen, dass ein auf diese Weise errechnetes Optimum umweltverträglicher wäre, als ohne die Berücksichtigung von CO2-Kosten. Praktisch vor allem für Unternehmen, die bereits mathematische Optimierung nutzen, da der Algorithmus nicht verändert werden muss.
Eine weite Möglichkeit besteht darin, zwei Optimierungsläufe durchzuführen. Stellen wir den ökologischen Aspekt voran, würde ein erster Optimierungslauf die umweltverträglichste Variante zu Tage fördern. Dieser aus Umweltgesichtspunkten optimale CO2-Wert würde dann die Zielmarke für eine weitere, ökonomischen Optimierung darstellen. Unter den umweltfreundlichen Varianten würde dann die Kostenoptimale identifiziert. Das würde natürlich auch umgekehrt funktionieren (also die Umweltfreundlichste der kostenoptimalen Varianten).
B.) Voraussagen mit Hilfe von Predictive Analytics
Bei Predictive Analytics werden auf Basis von Vergangenheitsdaten, aber auch externen Einflussfaktoren, Wahrscheinlichkeiten für das Eintreffen bestimmter Ereignisse errechnet. Dies kann sehr hilfreich sein, um beispielsweise Nachfrageschwankungen zu antizipieren. Aber auch im Produktionsprozess kann diese Methode gewinnbringend eingesetzt werden.
Beispielsweise bei der rechtzeitigen Identifikation von Ausschuss. Auf Basis einer Analyse von Ausschussteilen und den dazugehörigen Produktionsdaten, lassen sich Indikatoren identifizieren, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu einem Ausschuss des Fertigungsstückes in einem späteren Produktionsprozess führen. So könnte ein Metallteil, dass im Produktionsschritt A noch nicht genügend abgekühlt ist bereits aussortiert werden, da dieser Umstand im Produktionsschritt D mit einer genügend hohen Wahrscheinlichkeit zu einem Fehler führt. Dies wäre im Sinne eines hohen Ausschöpfungsgrades günstiger, als wenn das Fertigungsstück noch die Produktionsschritte B und C durchlaufen hätte, bevor es ausgemustert werden muss.
Nach einem ähnlichen Prinzip lassen sich auch Maschinenausfälle prognostizieren. Auf Basis von Predictive Analytics könnten Wartungsintervalle so gewählt werden, dass die Anzahl von Maschinenausfällen minimiert wird, ohne dass es dabei zu unnötigen Stillstandzeiten kommt. Auch diese Methode hilft dabei, den Ausschöpfungsgrad im Produktionsprozess zu erhöhen.
C.) Optimales Vorgehen dank Prescriptive Analytics
Prescriptive Analytics beantworten die Frage „Wie mache ich etwas möglich“. Mit ihr werden also nicht nur optimale Zustände berechnet, sondern konkrete Handlungsempfehlungen ausgegeben, um den angestrebten Zustand zu erreichen. Sei es beispielsweise das Splitten des Auftrages auf unterschiedliche Maschinen, oder die Umstellung der Auftragsreihenfolge zum Erreichen minimaler Rüstzeiten.
Gerade das letzte Beispiel zeigt sehr schön die Einsatzmöglichkeiten von Prescriptive Analytics in der Produktionsplanung. Während das Splitten von Aufträgen die Fertigungszeit verkürzt (Ziel: Erhöhung der Liefertreue), erhöht die Minimierung der Rüstzeiten den Durchsatz und damit letztendlich die Effizienz. Das Schöne daran ist, die Pläne bleiben optimal auf das Ziel ausgerichtet, auch wenn es wiederholt zu kurzfristigen Umplanungen kommt (bspw. durch einen eiligen Sonderauftrag). Neue Pläne lassen sich quasi auf Knopfdruck erstellen und zahlen trotzdem immer maximal auf das zuvor definierte Ziel ein.
Gleiches gilt für die optimale Ressourcennutzung. Das zuvor dargestellte Beispiel der Verschnitt-Minimierung des holzverarbeitenden Betriebs zeigt recht deutlich, dass der mathematische Prozess auch gegenüber viel Erfahrung im Vorteil ist. Ein weiteres schönes Beispiel sind Lackierstraßen von Automobilherstellern. Hier spielt die richtige Reihenfolge der Farben eine entscheidende Rolle. Soll beispielsweise eine Charge mit heller Lackierung auf eine Dunkle folgen, so müssen die Sprühköpfe umso intensiver gereinigt werden. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch signifikant mehr Spülwasser. Zudem erhöht es die Gefahr von Ausschuss.
Ebenfalls ein Klassiker unter mathematischen Optimierungsprozessen, ist die Tourenplanung. Je nachdem welche Ressourcen zu welchem Zeitpunkt in der Produktion benötigt werden, errechnet das System unterschiedliche Anlieferprofile. Seien es Direktfahrten, Milk-Run oder Gebietsspeditionen. Dabei werden auch die Kapazitäten des Warenein- und –ausgangs sowie die Lagerkapazitäten und Kostenvorgaben berücksichtigt. Ein weiterer Aspekt hierbei ist die Minimierung von Leerfahren, sofern Ihr Unternehmen über eine eigene LKW-Flotte verfügt.
D.) Der Blick in die Zukunft mit Was-wäre-wenn Szenarien
Das mächtigste Instrument, wenn es um strategische Entscheidungen geht, sind ganz klar Was-wäre-wenn Szenarien. Steht das mathematische Modell und sind alle Datenquellen erfolgreich angebunden, lassen sich unterschiedlichste Szenarien simulieren und Ihre Auswirkungen auf unterschiedlichste Bereiche bewerten – unter Berücksichtigung sämtlicher Querabhängigkeiten.
Mit Blick auf die zuvor genannten Beispiele ließe sich durchrechnen, was es bedeuten würde, auf andere Materialien oder auch andere Lieferant*innen umzustellen. Auch die Frage, wie sich der Bezug von ökologischer Energie auswirken würde und ob es lohnend wäre, diese selbst zu erzeugen, lässt sich exakt simulieren. Aber auch im Hinblick auf die Logistik, ist dieses Tool von unschätzbarem Wert. Wie würde es sich auswirken, ein zusätzliches Lager zu errichten? Was wäre, wenn ein Teil der Transporte im Nah- oder Stadtverkehr durch umweltfreundliche Transportmethoden substituiert würden? Alle diese Fragen lassen sich mit Was-wäre-wenn Szenarien bewerten – heruntergebrochen auf sämtliche KPI.
Der Wald im Garten
Wie Sie sehen, gibt es viele Möglichkeiten den Produktionsprozess ökologischer zu gestalten. Mathematische Optimierung kann einen großen Teil dazu beitragen, Prozesse und Strukturen in der Produktion besser und umweltfreundlicher zu machen. Dies gilt sowohl für die beschriebenen „passiven“ wie auch die „aktiven“ Methoden. Sei es nun aufgrund der Gesetzgebung, dem veränderten Kaufverhalten der Verbraucher*innen oder der intrinsischen Motivation der Unternehmen: Der Produktionsprozess der Zukunft wird sich verändern müssen. Also lassen Sie uns anfangen! Vielleicht mit einem Baum im Garten?
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In unserem Factsheet Was bringt mathematische Optimierung? finden Sie Details zu den 5 obengenannten Fragen und können so Ihre persönlichen Anliegen und Probleme noch besser einordnen.
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