Transportlaufzeiten in der taktischen Optimierung

Transportlaufzeiten in der taktischen Optimierung

Interview mit Lovis Anderson, Product Owner, OPTANO GmbH

In der heutigen globalisierten Welt spielt die Effizienz und Zuverlässigkeit von Transportwegen eine entscheidende Rolle für Unternehmen unterschiedlichster Branchen. Die Optimierung von Transportlaufzeiten ist dabei ein entscheidender Faktor, um Kosten zu senken, Lieferzeiten zu verkürzen und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Wir sprechen mit Lovis Anderson, Product Owner im Bereich Netzwerkoptimierung bei OPTANO, über die Bedeutung von Transportlaufzeiten, ihre Einflussfaktoren und wie Unternehmen durch gezielte Maßnahmen ihre Logistikprozesse verbessern können.

Transportlaufzeiten sind aktuell ein wichtiges Thema für die Supply Chain Planung. Was macht die Fragestellung in der taktischen Planung so besonders wichtig?

Lovis Anderson

Transportlaufzeiten spielen in der taktischen Planung von Supply Chains eine entscheidende Rolle, da sie direkt die Effizienz und Kosten der gesamten Lieferkette beeinflussen. Daher ist es wichtig, zwischen verschiedenen Zielen abzuwägen: Hohe Lagerbestände verursachen höhere Kosten und binden Kapital, gewährleisten jedoch eine kontinuierliche Materialverfügbarkeit für die Produktion. Andersherum können niedrige Lagerbestände Kapital freisetzen, bergen aber immer das Risiko, dass nicht genug Material für die Produktion verfügbar ist. 

Es ist eine schwierige Aufgabe, die richtige Balance zwischen verfügbarer Liquidität und ausreichendem Lagerbestand zu finden. Gerade lange Transportlaufzeiten, z.B. aus Asien, machen es noch schwieriger und eine genaue Planung noch wichtiger.

Wie findet man den richtigen Trade Off bei den vielen Möglichkeiten, die für die Planung der Lieferkette zur Verfügung stehen?

Lovis Anderson

Hierbei müssen viele Dinge bedacht werden: Material- und Transportkosten, Produktionssicherheit und Service-Level, Lagerhaltungskosten und Sicherheitsbestände. Und es nicht für alle Waren gleich: Für Lieferungen, die nicht so relevant für die Produktion sind und auf die man ohne größere Probleme für ein paar Tage verzichten kann, kann man eher Risiken eingehen als bei Lieferungen, die die gesamte Produktion lahmlegen würden, wenn sie fehlen. All diese Aspekte und ihre Querabhängigkeiten manuell zu beachten ist in einer komplexen Lieferkette kaum möglich. Mit Systemen zur Entscheidungsunterstützung kann man aber für alle Varianten den optimalen Trade Off finden.

Diese Planungsweise geht aber davon aus, dass die Lieferungen immer so ankommen, wie sie geplant sind. Auf Störungen der Lieferkette wäre man nicht gut vorbereitet, oder?

Lovis Anderson

Richtig. Bei der Planung einer Supply Chain geht man erst einmal davon aus, dass alles rundläuft und die Planung bis auf kleinere Abweichungen funktioniert. Wir wissen aber alle, dass die Realität häufig einen Strich durch diese Rechnung macht. Deshalb betrachtet die taktische Planung nicht nur die Frage, welches sind die besten Routen, die besten Transportmittel für mein Unternehmen, sondern eben auch, was kann ich tun, wenn auf der geplanten Route Probleme auftreten.

Sicherlich erinnern sich noch alle daran, als die MS Ever Given im Suez-Kanal feststeckte und diesen für längere Zeit unpassierbar machte. Plötzlich steckten unzählige Waren fest und konnten nicht wie geplant weitertransportiert werden. In einem solchen Fall ist es wichtig, schnell reagieren und informierte Entscheidungen treffen zu können.

Mit der OPTANO Netwerkoptimierung können verschiedene Was-wäre-wenn-Szenarien simuliert werden, um sich besser auf solche Störungen vorzubereiten. Wenn beispielsweise eine lange Transitroute nicht mehr verfügbar ist, können die besten Alternativrouten im Voraus berechnet werden, um die rechtzeitige Lieferung von Materialien sicherzustellen und durch die Störung verursachte Engpässe auszugleichen.

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Welche Alternativen wären in so einem Fall denkbar?

Lovis Anderson

Wenn wir bei dem konkreten Beispiel des versperrten Suez-Kanals bleiben, sehe ich drei Alternativen:

  1. Ein anderer Seeweg – der wird länger dauern als der geplante Weg. Ich muss also noch länger auf die erwartete Lieferung warten.
  2. Ein möglicher Landweg per Zug oder LKW, der ist schneller als ein alternativer Seeweg, aber leider auch teurer.
  3. Eine Lieferung per Flugzeug. Das ist der schnellste Weg, aber leider auch der teuerste. Gleichzeitig sind die Mengen, die transportiert werden, kleiner als bei den anderen beiden Alternativen.

Wie könnte eine alternative Planung in diesem Fall aussehen?

Lovis Anderson

Das ist wie gesagt auch abhängig davon, wie sehr meine Produktion auf die feststeckenden Waren angewiesen ist. Wenn ohne diese Waren die Produktion stillsteht, ist der Druck hoch, sie möglichst schnell über alternative Routen zu besorgen. Ob das die entstehenden Kosten rechtfertig ist dann die entscheidende Frage. Man muss also abwägen, ob die Mehrkosten geringer sind als der Verlust, der durch das Stillstehen der Produktion entsteht. Auch diese Aufgabe ist in der Komplexität der Supply Chain häufig manuell nicht zu beantworten. Dafür gibt es einfach zu viele Abhängigkeiten. 

Mit Systemen zur Entscheidungsunterstützung ist das aber einfach und schnell möglich. Im konkreten Fall wäre eine Kombination aus mehreren Optionen denkbar: Man kann mit Luftfracht die Lücke überbrücken, bis die Ware über den Landweg ankommt. Und das so lange, bis die die Lieferungen über den Seeweg wieder zuverlässig funktionieren. Die Optimierungssoftware kann die Mengen hierfür kostenoptimal bestimmen. Die Blockade des Suez-Kanals ist natürlich nur eins von vielen Beispielen, gleiche Szenarien sind auch denkbar für Piratenangriffe oder die Chip-Krise.

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Ich habe somit die Möglichkeit, schnell Notfallpläne zu erstellen, falls es zu Problemen in der Lieferkette kommt?

Lovis Anderson​

Richtig, man kann mit einem Entscheidungsunterstützungssystem auf unvorhergesehene Störungen viel schneller reagieren, weil man die neue Situation in der Software abbilden und die beste verfügbare Handlungsoption wählen kann. Das ermöglicht eine sehr kurze Reaktionszeit bei plötzlichen Störungen.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit sind vorab erstellte Notfallpläne. Es gibt Risiken in einer Lieferkette, die bereits bekannt sind, wie zum Beispiel Tropenstürme oder Dürren, die Flüsse austrocknen. Für diese kann man Alternativszenarien erstellen. So etwas lässt sich zwar nicht ein Jahr im Voraus einplanen, aber mit ein bis zwei Wochen Vorlauf recht präzise vorhersagen.

Darüber hinaus kann die Planung alternativer Transportwege und -mittel auch weiterreichende Erkenntnisse bieten: Das Ergebnis kann auch sein, dass Routen, bei denen häufig Probleme auftreten, gemieden und grundsätzliche sicherere Alternativen gewählt werden. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Transportlaufzeiten und entsprechenden Kosten, was die strategische Gesamtplanung ändern kann. In den heutigen unsicheren Zeiten ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich proaktiv auf Störungen vorzubereiten, um die Supply Chain so sicher wie möglich zu gestalten.

Wir bedanken uns bei Lovis für dieses Interview und weisen darauf hin, dass unsere Ansprechpartner*innen Ihnen bei Fragen gerne zur Verfügung stehen und Sie jederzeit einen Demotermin vereinbaren können. Weitere Informationen, wie zum Beispiel Release Notes finden Sie hier.

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Sabrina Geismann

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Dr. Dominik Hollmann
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