Operationale
Harmonie

Operationale Harmonie

Interview mit Dario Hashemi, Analytics Consultant, OPTANO GmbH

In einer zunehmend unsicheren Geschäftswelt mit geopolitischen Unruhen, ökonomischen Unsicherheiten und gefährdeten Lieferketten, sind CPG Unternehmen (Consumer Packaged Goods) vergleichsweise gut aufgestellt und können eine hohe Liefertreue garantieren. Doch diese Form der Resilienz hat einen Preis: Sehr hohe operative Kosten, verursacht durch hohe Lagerbestände und starre Produktionszyklen. OPTANO ist es in Zusammenarbeit mit Kearney gelungen, diese Resilienz mit Liefertreue und Kosteneffizienz zu kombinieren und Unternehmen dadurch einen klaren Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Maßgeblich beteiligt an der Entwicklung der Lösung mit Namen OptiCycle war unser Kollege Dario Hashemi, den wir heute hierzu interviewen.

Im Einleitungstext haben wir gelesen, dass OptiCycle die Faktoren Resilienz, Liefertreue und Kosteneffizienz kombiniert. Weshalb ist das etwas Besonderes?

Dario Hashemi

In der Praxis stehen sich diese Eigenschaften zum Teil diametral gegenüber. Kosteneffizienz in der Produktion wird durch lange Produktionszyklen und die damit verbundene Minimierung von Rüstvorgängen erreicht, wodurch Ressourcen und Maschinen optimal ausgelastet werden. Um trotz Nachfrageschwankungen die avisierte Termintreue und eine insgesamt resiliente Lieferkette zu erhalten, werden hohe Lagerbestände benötigt. Neben den dadurch entstehenden gesteigerten Lagerhaltungskosten ergeben sich weitere Nachteile, beispielsweise durch das Risiko von Ausschuss bei begrenzter Haltbarkeit der Produkte (Obsoleszenzkosten).

Kosteneffizienz in der Lagerlogistik wird wiederum durch niedrige Lagerbestände erreicht. In diesem Fall werden die avisierte Termintreue und eine insgesamt resiliente Lieferkette durch kurze Produktionszyklen ermöglicht. Dies führt zwangsläufig zu einer höheren Anzahl von Umrüstvorgängen, was die Auslastung von Maschinen und Material reduziert und damit zu deutlich höheren Produktionskosten führt. OptiCycle löst diesen Widerspruch auf.

Wie gelingt es OptiCycle diesen Widerspruch aufzulösen?

Dario Hashemi

OptiCycle verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz der Produktionsplanung. Dabei fließen viele verschiedene Faktoren mit ein, wie z.B. die prognostizierte Nachfrageverteilung (Gauß’sche Verteilungsfunktion), aber auch die damit verbundenen Kosten zum Bedienen dieser Nachfrage, in unserem Fall Umrüstkosten, Lagerhaltungskosten (Safety und Cycle Stock Kosten) und Obsoleszenzkosten.

Ziel ist alle drei genannten Kosten zusammen zu minimieren (Umrüstung, Lagerhaltung und Obsoleszenz), ohne Abstriche beim Service Level in Kauf zu nehmen. Dies erreichen wir durch die Berechnung einer optimalen Produktionsreihenfolge, welche den idealen Kompromiss zwischen diesen widersprüchlichen Zielen findet.

Dabei sind eine Reihe von Restriktionen zu berücksichtigen, wie z.B. eine ausgeglichene Betriebszeit der jeweiligen Produktionslinie für eine effiziente Personal- und Schichtplanung. Auch die Zusammenfassung von Produkten mit gemeinsamen Komponenten und Produktionsschritten zu Produktionslosen ist ein Hebel zur Optimierung und muss berücksichtigt werden.

Die Betrachtung einer Vielzahl von binären Entscheidungen mit vielfältigen Einflussfaktoren, Restriktionen und Querabhängigkeiten erfordert grundsätzlich einen hohen Rechenaufwand. OptiCycle verfügt jedoch über eine maßgeschneiderte und leistungsfähige Heuristik, die in wenigen Minuten das Optimum findet.

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Warum Supply Chain Analytics?

OptiCycle minimiert gleichzeitig Produktions-, Lagerhaltungs- und Obsoleszenzkosten.

Für alle technisch Interessierten: Was passiert „unter der Haube“ von OptiCyle?

Dario Hashemi

Das Herzstück des Systems, basiert auf PALNS (Parallel Adaptive Large Neighbourhood Search). Die verwendeten Operatoren (Destroy und Repair Heuristiken) erlauben die direkte Implementierung kontextrelevanter Problemspezifika, wie z.B. die Revision von Wochen mit hoher Betriebszeit, die Revision von Produkten mit hoher Rüstzeit oder die Revision der Produktgruppe mit geringer Losgröße, um nur einige zu nennen.

Dabei haben wir darauf geachtet, dass eine Erweiterung der Restriktionen oder Kostenkomponenten jederzeit möglich ist – das System kann also mit geänderten Anforderungen wachsen. Aber es wächst nicht nur, es lernt auch: So werden effiziente Operatoren während der Optimierung erkannt und häufiger verwendet. Und last but not least: Durch die Kombination mit Simulated Annealing ist es uns gelungen, einen bestmöglichen Trade-off zwischen Exploration (d.h. Freiheit im Lösungsraum) und Exploitation (d.h. Verbesserung der lokalen Lösung) zu erreichen.

Im Ergebnis sehen wir ein System, das auch auf die größten realen Probleme extrem performant angewendet werden kann und in kürzester Zeit das bestmögliche Ergebnis liefert.

OptiCycle ist in der Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams aus Kearney und OPTANO Mitarbeitenden entstanden. Wie läuft eine solche Zusammenarbeit ab?

Dario Hashemi

OptiCycle ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die einzelnen Kearney-Unternehmen synergetisch ergänzen: Die Markt- und Beratungsexpertise von Kearney trifft auf die Datenkompetenz von Cervello und kombiniert beides mit der Optimierungserfahrung von OPTANO. Zusammen mit den Kolleg*innen von Kearney wurden die Anforderungen an die Software und die Rahmenbedingungen spezifiziert, während Cervello bei der Datenaufbereitung und der Entwicklung der ETL-Prozesse unterstützt hat. Dank der mächtigen OPTANO Plattform konnten wir den Großteil der Zeit in die Entwicklung der Heuristiken stecken und die erste Version von OptiCycle nur zwei Wochen nach Erhalt der finalen Anforderungen releasen. Alles in allem eine äußerst erfolgreiche Entwicklung, die auch unsere Kunden begeistert.

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Was waren aus Eurer Sicht die größten Herausforderungen bei der Entwicklung?

Dario Hashemi

Es mag auf den ersten Blick banal klingen, aber die richtige Abstraktionsebene zu finden, ist oft eine der größten Herausforderungen bei solchen Projekten. Man muss versuchen, der Realität so nahe wie möglich zu kommen, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Die Rechnung dabei ist einfach: Ein zu geringer Detaillierungsgrad bildet die Realität nicht ausreichend ab und das Optimierungsergebnis ist im schlimmsten Fall unbrauchbar. Auf der anderen Seite führt ein zu hoher Detaillierungsgrad zu einer Überkomplexität, die das Modell zu sehr aufbläht und die Rechenzeit deutlich erhöht, so dass die Optimierung in der Praxis nicht mehr anwendbar ist.

Das richtige Maß zu finden, erfordert daher viel Erfahrung, was wiederum eine der großen Stärken unseres interdisziplinären Teams ist.

Auf was seid Ihr als Team bei der Entwicklung von OptiCycle besonders stolz?

Dario Hashemi

Ich kann hier nur für mich persönlich sprechen, aber für mein Empfinden war das Highlight ganz klar das Team. Ein toller Teamgeist, getragen von dem Ziel gemeinsam ein großartiges Tool auf die Beine zu stellen. Aber während einer so intensiven Zeit wächst einem natürlich auch das Tool selbst ein wenig ans Herz. So war es für mich schön zu sehen, wie OptiCycle „mitdenkt“ und lernt.

Ein Bespiel: Da die Produktionslinien oft rund um die Uhr in drei Schichten laufen, gibt es keinen richtigen Wochenanfang und kein Wochenende. Das Tool hat dann Pläne erstellt, in denen teilweise wochenübergreifend produziert wird, wo vorher lediglich in Wochenzyklen geplant wurde. Hierdurch konnten noch einmal signifikant Umrüstkosten eingespart werden. Diese Information haben wir nicht explizit in den Optimierer eingebaut, das hat er sozusagen selbst herausgefunden.

Vielen Dank, Dario, dass Du Dir Zeit für uns genommen hast.

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